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Final Fantasy VII Crisis Core

2. Oktober 2008
„Final Fantasy VII“ ist für viele Fans der beliebten Rollenspielreihe aus Japan immer noch der beste Serienteil, auch wenn seit dem Release im Jahre 1997 für die Playstation schon etliche Jahre vergangen sind. Während lange Zeit das Gerücht über eine PSP-Neuauflage des damaligen Meisterwerkes herumgeisterte, handelt es sich bei „Crisis Core: Final Fantasy VII“ im Grunde um die Vorgeschichte, die nun ein komplett neues Spiel geworden ist – ein sehr gutes dazu.
Die Zwischensequenzen sind technisch hochwertig.
FF-Feeling auf kleinem Schirm

Die Wurzeln der „Final Fantasy“-Reihe lassen sich in „Crisis Core“ nicht übersehen. Optisch beeindruckende Zwischensequenzen führen zu Beginn in die Handlung ein, in deren Verlauf Kenner des siebten Teils etliche Anspielungen auf Sephiroth und Co. finden werden. Aber auch ohne Hintergrundwissen bleibt die Geschichte rund um den jungen Kämpfer Zack sehr spannend. Neben den wuchtigen Rendersequenzen bekommt ihr zahlreiche Zwischensequenzen in Spielgrafik präsentiert, wobei der Großteil der Dialoge sogar in englischer Sprache vertont und mit deutschen Untertitel unterlegt ist. Neben der sauberen Sprachausgabe weiß aber auch der Soundtrack mit seinen treibenden Stücken zu begeistern.
Die Steuerung in en Kämpfen funktioniert sehr gut.
Zauberkundiger Schwertkämfper

Interessant bei einem „Final Fantasy“ ist in den letzten Jahren immer die Frage nach dem Kampfsystem. Folgt „Crisis Core“ dem klassischen Rundensystem eines „FFX“ oder den moderneren Echtzeitschlachten des superben 12. Teiles aus dem letzten Jahr? Letztlich haben sich die Entwickler für den PSP-Neuling etwas Frisches ausgedacht. So werden die Gegner in der Spielwelt meist nicht angezeigt, es kommt also zu den oft umstrittenen Zufallskämpfen. Doch diese stören in „Crisis Core“ den Spielfluss keineswegs, denn zum einen kommt es nicht alle paar Meter zu einem Gefecht und zum anderen geht das Spiel fast nahtlos in den Kampfbildschirm über. In diesem attackiert ihr mit dem Helden die Feinde hauptsächlich mit dem Schwert, eine automatische Zielerfassung erleichtert das Ganze ungemein. Daneben kommt über die verschiedenen Zaubersprüche und Spezialmoves eine Prise Taktik dazu. Bequem über ein Schnellauswahlmenü wählt ihr die gewünschten Zauber wie Eisattacken oder heilt mit Vita eure Lebensenergie.

Doch trotz der vielen bewegenden Momente, trotz bildgewaltiger Filmszenen und schöner Zwischensequenzen in Spielgrafik: Crisis Core reduziert die Formel "Final Fantasy" auf das Nötigste - auf ein geradliniges Abenteuer, das nach zehn Stunden vorbei sein kann. Denn es sind vergleichsweise wenige, kurze Abschnitte, die Zack bestehen muss. Und in diesen begegnen ihm nicht einmal große oder zufällig verteilte Monster-Horden. Denn Kämpfe finden nur an dafür vorgesehenen Flecken statt, und ihr entwickelt schnell ein Auge dafür, welche das sind. Leider warten an diesen wenigen Punkten keine sichtbaren Gegner auf ihren Angriff. Die erscheinen erst im Bild, wenn Zack eine entsprechende Linie überschreitet.

Runde, Taktik, Echtzeitkampf
Dafür geht es jetzt ohne Überblende direkt in den Kampf, und der ist ein Novum für Final Fantasy-Spieler. Schließlich müssen sie sich erstmals in Echtzeit mit Soldaten, übergroßen Raubkatzen oder mannshohen Robotern herumschlagen - ohne dass sie wahlweise auch pausieren könnten oder auf die bekannten Elemente der Rundentaktik verzichten müssten! Wie das zusammen passt? Ganz einfach: Ihr wählt über die Schultertasten einen Schwerthieb, den nächsten Zauber oder einen
Das Prinzip basiert zwar auf traditionellen Werten; aus dem taktischen Runden- wurde allerdings der taktische Echtzeitkampf.
Gegenstand und löst die Aktion durch einen Druck auf die X-Taste aus. Auslösen dürft ihr die Aktion jedoch erst dann, wenn die (unsichtbare) Zeitleiste nach der vorherigen Aktion wieder aufgefüllt wurde. Das Prinzip ist also dasselbe wie das der Rundenkämpfe, nur dass ihr euch innerhalb der unsichtbaren Grenzen der Kampfarenen frei bewegen könnt, Angriffe blockt oder ihnen ausweicht. Somit kommt erstmals auch dem Stellungsspiel eine wichtige Bedeutung zu; zum Einen gibt es neben Gesundheits- und Magiepunkten nämlich eine Leiste, die ihr für Ausweichmanöver sowie bestimmte Schwertattacken leert, und zum Anderen verursacht Zack nur dann mit Sicherheit kritischen Schaden, wenn er einem Feind in den Rücken fällt.

Ohne diese Finesse des Umgehens ziehen sich Auseinandersetzungen besonders auf dem zweiten Schwierigkeitsgrad in die Länge, was tödliche Folgen haben kann. Denn während ihr auf der normalen Stufe im Schnelldurchlauf durch das Abenteuer hetzen könntet, ist der hohe Schwierigkeitsgrad selbst dann ein happiger Brocken, wenn man einen Neustart mit der im ersten Durchlauf gesammelten Ausrüstung und Erfahrung wagt. Ich beiße mir gerne an dem wunderbar aufgehenden Kampfsystem die Zähne aus - ein Kompromiss zwischen leicht und schwer hätte Crisis Core trotzdem gut getan!

Ein lohnender Umweg?
Lediglich in einigen Nebenmissionen fordert das Spiel auch unter einfachen Vorzeichen euer ganzes Können. Und von diesen gibt es gleich mehrere hundert! Wie kann der PSP-Ableger also geradlinig sein, wenn es doch etliche Aufträge abseits des roten Fadens gibt? Weil ihr diese Aufträge an jedem Speicherpunkt starten dürft. Weil ihr euch anschließend in einer Höhle, an einem Strand oder in einer Wüste durch enge Gänge bis zu einem Zwischengegner durchschlagt, um danach wieder umgehend am Speicherpunkt zu landen. Weil die Missionen zudem nur von oft belanglosen Beschreibungen zusammengehalten werden, bringen sie weder Farbtupfer in die Erzählung noch erweitern sie euren Handlungsfreiraum.

Ich habe mich trotzdem länger mit dem scheinbar unbedeutenden Zeitvertreib beschäftigt als der Handlung zu folgen. Denn in den Missionen dürft ihr nicht nur Zwischengegner (einige der Summons) noch einmal bekämpfen, eine Trainingsmission gegen nicht weniger als 1000 (nacheinander auftauchende) Soldaten angehen oder mit einer herrlich aufgelegten Yuffie auf Schatzsuche gehen. Vor allem findet ihr aber nur hier bestimmte Gegenstände und Materiakugeln, also Zauber. Das Problem: Wer auf dem einfachen Schwierigkeitsgrad spielt, kommt
Seht ihr dreimal das Gesicht von Aerith, erhält Zack einen Gesundheitsschub.
auch ohne starke Magie oder Ausrüstung weiter, was den Zweck der unterhaltsamen Missionen natürlich entwertet. Trotzdem hat man so ein ausgesprochen motivierendes Mittel für die Entwicklung des eigenen Charakters in der Hand. Man will mehr Gegenstände, mehr Materia und nicht zuletzt steigen Zacks Erfahrungswerte auch in den Nebenmissionen stetig auf. Im Grunde wird damit aus dem Rollenspiel Final Fantasy das Action-Rollenspiel Crisis Core: ein immer wieder anspornendes Sammeln & Schlagen - eins der wenigen mit fesselnder Geschichte und greifbaren Charakteren.

Das digitale Glücksrad
Das Lizenzbrett, auf dem ihr in Final Fantasy XII noch in ausgeklügelter Feinarbeit die Fähigkeiten eurer Figuren erweitert habt, gibt es hier natürlich nicht. SE setzt alles daran, dass man den Handheld-Ableger in kleinen Happen verdauen kann. Der Ausbau der Fähigkeiten geschieht deshalb automatisch. Ihr könnt lediglich die Materiakugeln aufwerten, indem ihr sie im Kampf benutzt, das gleiche gilt für Zacks Erfahrungsstufe. Um diese zu erhöhen, müsst ihr allerdings nicht wie sonst eine vorgesehene Anzahl Gegner besiegen; der Aufstieg hängt vielmehr vom Zufall ab!

Nein, das Gegenteil ist natürlich der Fall. Es scheint aber so, als fände der Stufenaufstieg nur zufällig statt, weil dafür mindestens zwei von drei rotierenden Zahlen eines "einarmigen Banditen" übereinstimmen müssen. "Digital Mind Wave" oder DMV nennen die Entwickler ihr System, das äußerlich an einen Spielhallenautomaten erinnert. Mitten im Kampf bringen euch die rotierenden Zahlen und Bilder dabei Statusveränderungen, wie Unverwundbarkeit, kostenlose Zaubersprüche oder Resistenz gegen bestimmte Angriffe. Sobald auf der DMW-Anzeige links und rechts dasselbe Bild (allesamt Köpfe verschiedener Charakter und Monster) erscheint, wird das DMV zu voller Größe aufgezogen und das letzte Bild sowie die drei Zahlen beginnen zu rotieren: Erscheinen zweimal bestimmte Ziffern, steigt eine von Zacks Materiakugeln eine Stufe nach oben, ist es dreimal die Sieben, steigt Zack selbst auf. Seht ihr dreimal dasselbe Gesicht, führt
Angeal ist zunächst noch Zacks Mentor und Freund, läuft aber bald zur Gegenseite über.
Zack hingegen den Spezialangriff (Limit Break) der entsprechenden Figur aus. Alle Charaktere, denen Zack bereits begegnet ist, tauchen dabei im DMW auf - einschließlich Chocobos, den Summons, Sephiroth sowie anderen wichtigen Figuren.

Ein Fall von Zufall?
Wie gesagt: Das System löst Spezialangriffe in Wirklichkeit nicht so zufällig aus, wie es den Anschein hat. Denn auf der einen Seite beeinflussen auch Zacks Gemütszustand sowie erfolgreich aneinander gereihte Angriffe die Häufigkeit einer Auslosung und auf der anderen Seite bestimmt letztlich doch die Anzahl der gewonnenen Kämpfe Zacks Stufenaufstieg: Das Erledigen einer bestimmten Menge Gegner schraubt nämlich die Wahrscheinlichkeit eines "Glückstreffers" bedeutend in die Höhe, so dass der Anstieg tatsächlich nach ausreichend vielen Siege stattfindet. Nicht zuletzt hängt auch die Häufigkeit der Limit Breaks von Zacks Level und Gemütszustand ab, und mit der richtigen Materia könnt ihr sogar die Wahrscheinlichkeit für die Spezialattacke eines bestimmten Charakters spürbar beeinflussen.

Unterm Strich gelingt SE einfach "nur" das Kunststück, ein überschaubares System mit einem so geschickt dosierten Zufallsfaktor zu versehen, dass ich immer das Gefühl habe, die Kontrolle zu behalten - während das DMW die Spannung mit einer Prise Unvorhersehbarkeit angenehm erhöht. Es ist nicht der minimale Handlungsspielraum, der mich im dritten Anlauf noch an Crisis Core fesselt. Die schwachen Beschreibungen der wie nachträglich eingeschobenen Nebenmissionen tun außerdem nur das Nötigste, um etwas Abwechslung in die Erzählung zu bringen. Die knackigen Kämpfe, so kurz sie auch sein mögen, spornen mich allerdings immer wieder zu einem Ausflug nach Midgar und Umgebung an!

Für Materiasammler

Zumal die per Schultertasten drehbare, manchmal zickig in einer Ecke verharrende Kamera einige wunderschöne Ansichten einfängt. Sei es die kühle Zukunftsvision in Zacks Basis, dem Shinra-Hauptquartier oder der weite Horizont über hohen Felswänden: Es fehlen zwar Details wie Vögel, kleine Tiere, Gesteinsbrocken o.ä., trotzdem gehören die Kulissen zu den fantasievollsten auf dem PSP-Bildschirm. Vom todschicken Menü mal ganz abgesehen - ja, so etwas ist mir wichtig. Im Menü lest ihr außerdem Emails, die euch Zacks Kumpel
Gleich in einer der ersten Szenen bereut Zack schnell seinen Übermut...
Kunsel schickt, in denen Shinra Neuigkeiten kommuniziert und denen nie eine tragende Rolle zukommt - die aber viel dazu beitragen, dass die Welt um Midgar nicht nur einen Namen trägt, sondern auch erzählerisch Form annimmt.

Nicht zuletzt dürft ihr im Menü auch Materiakugeln miteinander kombinieren; jeweils zwei der Zauber schaffen so vielleicht einen noch mächtigere Zauber - aber ist das den Verlust einer bereits hochgestuften Materiakugel wert? Die vielen möglichen Ergebnisse lassen euch jedenfalls viel Spielraum für Experimente. Und was, wenn Telefon oder Türklingel beim Kombinieren stören? Kein Problem, denn ihr dürft Crisis Core jederzeit pausieren, egal ob im Kampf, im Menü oder in den Filmen. SE denkt also mit; was es umso verwunderlicher macht, dass man jede der Zwischensequenzen vollständig anschauen muss. Dabei ist es egal, wie viel Zeit sie sich mitunter lassen. Es ist egal, ob man sie im letzten Durchlauf bereits gesehen hat. Und es ist sogar egal, ob man sie unmittelbar zuvor fünfmal gesehen hat, weil man genau so oft an einem mächtigen Summon gescheitert ist... So kurzweilig sich Crisis Core auch gibt und so hervorragend die neuen Ideen auf dem Handheld aufgehen - so sehr arbeitet SE in diesem Punkt gegen jene, die einfach nur spielen wollen.


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